Ohne Quote geht´s wohl nicht! - 1. Gleichstellungspolitischer Sportkongress

Über seinen sportlichen Tellerrand blickte der DOSB beim ersten gleichstellungspolitischen Sportkongress – gemeinsam mit namhaften Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.

Christoph Niessen, Michael Vesper, Prof. Martina Schraudner und Reinhard Rawe (v.l.) auf dem Podium.
Christoph Niessen, Michael Vesper, Prof. Martina Schraudner und Reinhard Rawe (v.l.) auf dem Podium.

Achtung, dies ist (k)eine Fangfrage: Was eint die Fußball-Bundesliga mit der katholischen Kirche? Auf den ersten Blick scheinbar nichts. Es sei denn, man engagiert sich wie Ex-Fußballnationalspielerin und Buchautorin Katja Kraus für Frauen in den Chefetagen. Dann kann man den eklatanten Mangel weiblicher Führungskräfte nicht nur beim Kicken oder Kirchgang kaum übersehen. „Wir brauchen die Quote“, schlussfolgerte Katja Kraus und wurde beim ersten gleichstellungspolitischen Sportkongress des DOSB am 27. September in Düsseldorf einhellig unterstützt von den Mit-Diskutantinnen Brigitte Zypries (MdB und Bundesjustizministerin a. D.), Monika Schulze (Chief Marketing Officer der Zurich Gruppe Deutschland), Sibylle Laurischk (MdB und Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Bundestages).

„Schneckentempo statt Überholspur“

Unter dem Motto „Frauen in Führung – Gemeinsam gewinnen!“ diskutierten namhafte Vertreterinnen und Vertreter aus Sport, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft über die augenscheinliche Schieflage im deutschen Sportsystem. „Dort, wo die großen Entscheidungen getroffen werden, sind Frauen in der Minderheit. Fortschritte vollziehen sich im Schneckentempo, in den Sport-Organisationen läuft die bisherige Entwicklung an den hoch qualifizierten Frauen vorbei“, kritisierte Bernd Neuendorf, Staatssekretär im NRW-Sportministerium, in seiner Eröffnungsrede. „Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar im Jahre 2013. Kein gesellschaftlicher Bereich kann es sich leisten, die Potenziale von Frauen brach liegen zu lassen.“

Damit ist er d´accord mit der Position des DOSB. Um Chancengleichheit im Sport durchzusetzen, forderte der Dachverband des Deutschen Sports bei seiner Mitgliederversammlung am 8. Dezember 2012 die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen und hat damit die Gleichstellungsfrage auf die Tagesordnung aller Präsidien gesetzt. „Chancengleichheit bedeutet einen Gewinn für Frauen und Männer im Sinne unserer Philosophie: Sport für alle mit allen“, erinnerte Ilse Ridder-Melchers, DOSB-Vizepräsidentin Frauen und Gleichstellung beim Düsseldorfer Kongress. „Im ersten Schritt muss es gelingen, dass  Frauen mindestens entsprechend dem Anteil der weiblichen Mitglieder in den Organisationen auch auf Führungsebene vertreten sind. Dafür tragen wir gemeinsam Verantwortung! Gesellschaftliche Wirklichkeit, so wie junge Frauen und auch immer mehr Männer sie wünschen und nach der neuesten Brigitte-Studie unter der Leitung von Professorin Allmendinger auch leben, muss Eingang finden in die Organisationsstrukturen des Sports.“

Die Win-Win-Quote bringt’s

Auf dem Düsseldorfer Podium herrschte Einigkeit: Ohne veränderte Organisationsstrukturen und -kulturen, die ein Engagement im und für Sport attraktiv machen und Spaß bringen – kurzum: ohne entsprechende Rahmenbedingungen – werden Frauen den Schritt in die erste Reihe weder wagen noch schaffen. „In den vergangenen 20 Jahren haben wir Frauen immer wieder qualifiziert, jetzt müssen wir an die Strukturen“, resümiert Dr. Karin Fehres, DOSB-Direktorin Sportentwicklung. „Das Dilemma: Frauen, die Strukturen ändern möchten, müssen in Positionen sein, um diese Strukturen verändern zu können.“ Deshalb fordert auch DOSB-Generaldirektor Dr. Michael Vesper: „Wir müssen uns aktiv dafür einsetzen, mehr Frauen in die höheren Ebenen zu bringen. Wir müssen erreichen, dass Frauen bei Wahlen kandidieren, faire Bedingungen für sie schaffen und diese Frauen dann auch wählen. Die Quote ist ein vernünftiger Weg dahin.“

 

Die Forderung nach einer verbindlichen Regelung unterstützte auch Walter Schneeloch, Präsident des Landessportbundes NRW: „In vielen Vereinen wird nur in der Kategorie Mann gedacht, wenn es um die Besetzung von Posten geht. Will man ausgewogene Verhältnisse haben, kommt man um die Quote nicht herum, weil man gezwungen ist, Frauen in den Blickwinkel zu nehmen.“ Aus dem Blickwinkel ihrer politischen Karriere referierte Brigitte Zypries, Mitglied im Bundestag und ehemalige Justizministerin: „Die Quote ist eine Krücke, aber wer sich einmal ein Bein gebrochen hat, weiß wie wichtig sie ist, um die Welt wieder zurückzuerobern. Man muss auch den Männern klar machen, welche Vorteile sie davon haben – es ist eine doppelte Win-Win-Situation. Wenn wir den Frauenanteil erhöhen wollen, brauchen wir gesetzliche Regelungen. Ohne Quote kommen Frauen nicht an die Macht. Am Ende hilft nur der Zwang, also die Satzungen der Verbände entsprechend zu regeln. Die Düsseldorfer Erklärung ist der richtige Weg.“

Düsseldorfer Erklärung

Dafür unterzeichneten die rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kongresses einen Appell an den DOSB und seine Mitgliedsorganisationen. In der Düsseldorfer Erklärung fordern sie mit Nachdruck die Umsetzung des Beschlusses der DOSB-Mitgliederversammlung „Chancengleichheit im Sport durchsetzen!“ Auf den Punkt gebracht: ehrenamtliche wie hauptberufliche Chefsessel für Frauen entsprechend dem Anteil der weiblichen Mitglieder in den Organisationen. Sportverbände sollen darüber hinaus eigenverantwortlich Ziele anvisieren und bestimmen, bis wann und wie sie Organisationsstrukturen und -kulturen in punkto Gleichberechtigung verändern wollen. Auf der DOSB-Mitgliederversammlung Ende 2014 wird dann Bilanz gezogen.

Unterstützt wurden diese Forderungen durch eine Studie der Fraunhofer-Gesellschaft, die Professorin Dr. Martina Schraudner dem Düsseldorfer Publikum vorstellte: „Wir haben untersucht, warum es Unternehmen nicht gelingt, Frauen in die Führungsspitze zu bringen. Unsere Erkenntnis: Um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, ist ein umfassender Kulturwandel in Unternehmen notwendig.“ Als Stolperstein für weibliche Führungskräfte erwiesen sich demnach weit verbreitete Unternehmenskulturen, die Frauen in die Klischee-Schublade stecken und dadurch in ihrer Karriere ausbremsen. „Die Düsseldorfer Erklärung ist ein guter Ansatz, denn die Quote alleine reicht nicht“, sagte Professorin Schraudner. „Man muss Frauen und Männer gleichermaßen in die Diskussion einbeziehen und ansprechen – nur so funktioniert der Prozess der Gleichstellung.“

Die Männer-Quote

Die Männer hatte auch Sibylle Laurischk, Mitglied im Bundestag und Vorsitzende des Bundestags-Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, im Blick: „Nur wenn Frauen das Feld mitbestimmen, kann sich etwas ändern – ohne Quote geht’s nicht. Die Mechanismen, die Frauen raushalten, sind seit dem Sandkasten antrainiert. Erst wenn die Sandkastenspiele aufhören, kann das Thema Gleichberechtigung in die Gesellschaft getragen werden. Der Begriff Frauenquote greift dabei aber zu kurz. Es sollte ein ausgewogenes Verhältnis beider Geschlechter angestrebt werden. Es kann auch mal sein, das Männer die Quote brauchen.“

Zumindest eine Männer-Quote wurde in Düsseldorf erstmalig eingeführt: Der Gleichstellungspreis des DOSB ging in diesem Jahr paritätisch an eine Frau und an einen Mann. Ausgezeichnet wurden Angelika Büter aus Geeste und Markus Reiter aus Frankfurt für ihr Engagement als Übungsleiterin bzw. Übungsleiter, ihre gezielte Förderung von Mädchen und Frauen und ihren Einsatz für mehr Chancengleichheit. Für Preisträger Markus Reiter ist das ehrenamtliche Engagement Ehrensache: „Ich kann es nicht akzeptieren, dass eine fünfzigprozentige Bevölkerungsgruppe im Sport nicht zu Wort kommt.“ Ganz im Sinne des DOSB: Frauen wie Männer sollten auf dem Sportplatz und in Turnhallen, in Gremien und Ausschüssen gleichberechtigt ein Wörtchen mitreden dürfen.

Weitere Informationen sowie TV-Mitschnitte des Kongresses finden sich hier >>>

(Quelle: DOSB)


  • Christoph Niessen, Michael Vesper, Prof. Martina Schraudner und Reinhard Rawe (v.l.) auf dem Podium.
    Christoph Niessen, Michael Vesper, Prof. Martina Schraudner und Reinhard Rawe (v.l.) auf dem Podium.
  • Moderatorin Dunja Hayali im Gespräch mit Monika Schulze, Katja Kraus und  Brigitte Zypries (v.l.). Fotos: DOSB
    Moderatorin Dunja Hayali im Gespräch mit Monika Schulze, Katja Kraus und Brigitte Zypries (v.l.). Fotos: DOSB