Platz 1 in der Nationenwertung zurückerobert

Turin war eine Gala-Vorstellung der deutschen Mannschaft. Selten hat eine Olympia-Auswahl in jüngerer Zeit bei Winterspielen so überzeugt wie im Piemont. Selbst die Skeptiker unter den Experten mussten den Hut ziehen.

Es gab oft Grund zum Jublen für das deutsche Team: Langläufer Tobias Angerer, ...
Es gab oft Grund zum Jublen für das deutsche Team: Langläufer Tobias Angerer, ...

Das deutsche Team hatte nach 84 Entscheidungen mit elf Mal Gold, zwölf Mal Silber und sechs Mal Bronze ganz überzeugend die Nationenwertung vor den USA (9-9-7) und Österreich (9-7-7) gewonnen.

 

Gala-Vorstellung des deutschen Olympia-Teams bei den Winterspielen

 

"Unsere Aktiven präsentierten sich in einer starken Art und Weise, wie es selbst bei uns die größten Optimisten nicht erwartet hatten", zog Ulrich Feldhoff, Vizepräsident Leistungssport des Deutschen Sportbundes (DSB), ein mehr als zufriedenes Fazit der Spiele.

 

Deutschland hatte vor vier Jahren in Salt Lake City Norwegen als stärkste Nation den Vortritt lassen müssen, das sich nun auf Platz 13 wieder fand. Dazu noch 52 weitere Platzierungen auf den Rängen vier bis zehn komplettierten ein selbstbewusstes Auftreten, das im starken Kontrast zu dem kleinen Einruch 2004 bei den Olympischen Sommerspielen in Athen stand. Nur USA kam mit 84 auf mehr Platzierungen zwischen den Rängen 1 bis 10 als Deutschland (81).  "Wir sind stellvertretend für die sportlichen Mitbürger unseres Landes alle begeistert und stolz auf die Leistungen unserer Sportler", meinte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bei seinem Abstecher zu den letzten beiden Olympia-Tagen von Turin.

 

Vor allem die Biathleten sorgten für die Glanzlichter bei den Spielen. Sie holten mit fünf Mal Gold mehr Olympiasiege als alle anderen Biathlon-Nationen zusammen, standen gleich elf Mal bei der allabendlichen Sie-gerehrung auf dem Podest und stellten mit dem 29 Jahre alten Michael Greis den alles überragenden Athleten dieser Spiele. Noch nie ist ein deutscher Sportler oder eine Sportlerin gleich mit drei Goldmedaillen von einem Olympia heimgekehrt. "Was vor allem Michael Greis, aber auch seine Kolleginnen und Kollegen geleistet haben, dazu kann man nur gratulieren", meinte Ulrich Feldhoff.

 

Die Siege im Biathlon waren das Ergebnis der Fähigkeit zur Einsicht. Vor drei Jahren hatten Sven Fischer, Ricco Groß und Co. in der Loipe den Anschluss zur Weltklasse verloren. Aber man setzte sich zusammen, analysierte die Fehler, veränderte in der Loipe die Reize und erhöhte die Trainingsumfänge und –Intensitäten. Für Ulrich Feldhoff zeigte es sich, dass es "äußerst sinnvoll ist, mit der Sportwissenschaft und sportwissenschaftlichen Einrichtungen wie dem IAT zusammen zu arbeiten; wenn dann Schwachpunkte akut offensichtlich werden, ist man in der Lage, sehr kurzfristig umzuschwenken".

 

Annähernd an die Bilanz der Biathleten kamen noch die Rodler und vor allem der Bobfahrer André Lange heran, der im Eiskanal von Cesena nicht zu schlagen war. Ob im Zweier- oder im Viererbob, er beherrschte die Konkurrenz deutlich und reihte sich in die Liste der deutschen Doppel-Olympiasieger Anderl Ostler (1952), Meinhard Nehmer (1976) und Wolfgang Hoppe (1984) ein. Seine Siege waren ein weiteres Indiz, dass Deutschland unter anderem dann ganz stark ist, wenn die Technik eine gewichtige Rolle spielt. Zwar nicht so herausragend, aber mit positiven Ergebnissen warteten auch die Ski-Langläufer, die nordischen Kombinierer und der Eisschnelllauf auf. Allerdings machte sich bei Letzterem bei den Damen auch ein wenig Enttäuschung breit, denn nicht nur in den eigenen Reihen waren die Erwartungen höher gewesen.

 

"Mit ihrem Auftreten haben die Sportler Ehre für unser Land eingelegt" (Innenminister Wolfgang Schäuble). 

 

Aber auch mit sportlichen Schwächen präsentierte sich die deutsche Olympia-Auswahl in Turin. Bei den Eiskunstläufern passte wenig zusammen, vor allem die Patzer von Stefan Lindemann sorgten für Stirnrunzeln. Im Ski alpin kann der Verband aus der Sicht von Ulrich Feldhoff nicht zufrieden sein, wenn in zehn Disziplinen als bester Platz nur ein sechster Rang zu Buche steht. "Hier haben wir den Anschluss zur Weltspitze verloren", sagte Ulrich Feldhoff. Ähnliches gilt für ihn bei den Eishockey-Männern, wo das Team ohne Sieg blieb.

 

Viel Sympathie erreichte die deutsche Mannschaft aber auch durch ihr Erscheinen, das stets der Situation angemessen blieb. "Mit ihrem Auftreten haben die Sportler Ehre für unser Land eingelegt", kam ein Kompliment von hoher Stelle, von Innenminister Schäuble. In der Stunde des Sieges blieben die Athletinnen und Athleten auf dem Boden, in der Minute der Niederlage zeigten sie Respekt vor der Leistung des Gegners. Und wenn einmal ein Ausrutscher passierte, dann folgte die Entschuldigung auf dem Fuße. "An diesem Auftreten werden sich künftige Mannschaften messen lassen müssen, vor allem die Sommer-Mannschaften“, betonte Ulrich Feldhoff.

 

Aber der DSB-Vizepräsident will angesichts der Erfolge jetzt nicht in Euphorie verfallen, denn es gilt für ihn, die erkannten Schwächen zu bekämpfen. Diese macht er derzeit vor allem bei der fehlenden Unterstützung für den Trainer-Nachwuchs aus. "Wir müssen endlich etwas tun für die gesellschaftliche Anerkennung des Trainerberufes", meinte Feldhoff. "Turin hat deutlich gemacht, dass die Spitzenerfolge immer auch an einer überragenden Trainer-Persönlichkeit festzumachen sind. Wenn wir weiterhin nichts für die Trainer tun, bricht uns dort Entscheidendes weg." Er forderte, die Traineroffensive jetzt noch weiter in Schwung zu bringen.

 

Für betrübliche Nachrichten sorgte wieder einmal das Thema Doping. Die Mannschaft von Österreich, die in Turin zur drittbesten Mannschaft nach Deutschland und den USA avancierte, konnte ihren Aufschwung nicht in vollen Zügen genießen, denn eine Razzia in ihrem Quartier brachte manches Fragwürdige zu Tage. Für negative Schlagzeilen sorgten auch die Flucht eines Trainers und zweier Aktiver. Erst im Nachgang zu Olympia wird sich die Stichhaltigkeit der Vorwürfe zeigen. "Einige kapieren einfach nicht, was sie dem Sport antun. Das ist schon als kriminell zu bezeichnen", meinte Feldhoff.

 

Während beim Sport für die Deutschen vieles glatt lief, klappte es auf der sportpolitischen Bühne nicht ganz so vollkommen. Zwar stieg Thomas Bach wieder zum Vizepräsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) auf, aber Georg Hackl blieben die IOC-Ehren verwehrt. Der Rodler scheiterte bei der Wahl zum Aktiven-Vertreter.  "Es ist schade, dass Georg Hackl nicht in die Athleten-Kommission des Internationalen Olympischen Komitees gewählt worden ist", sagte Christa Thiel, Vizepräsidentin Internationales im Deutschen Sportbund. "Zwei IOC-Mitglieder sind einfach zu wenig, selbst wenn ein IOC-Vizepräsident darunter ist. Sportpolitisch haben wir noch Nachholbedarf", sagte Christa Thiel in Turin.


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  • ... Andre Florschütz und Torsten Wustlich oder ...
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  • ... Kati Wilhelm (Fotos: dpa / Sporthilfe)
    ... Kati Wilhelm (Fotos: dpa / Sporthilfe)