Politikfähigkeit der Vereine: Partnerschaft und Überzeugungskraft zählen

Mit der Hamburger Erklärung justiert der Freiburger Kreis den Umgang mit den Entscheidungsträgern in den Kommunen neu.

Die Sportvereine wollen mit der Hamburger Erklärung vermehrt Einfluß auf die Politik nehmen. Copyright: picture-alliance
Die Sportvereine wollen mit der Hamburger Erklärung vermehrt Einfluß auf die Politik nehmen. Copyright: picture-alliance

Am Ende der Bestandsaufnahme stand die Hamburger Erklärung. Sie ist im ersten Teil eine selbstbewusste Leistungsbilanz zur Qualität des Sport in der Gesellschaft und sozialen Güte der Großvereine, im zweiten eine Selbstverpflichtung der 166 Mitglieder des Freiburger Kreises (FK)  ihre Politikfähigkeit - den Einfluss in Städten und Gemeinden - zu schärfen. Damit entwickelte das sportpolitische Forum beim Frühjahrseminar der Arbeitsgemeinschaft größerer deutscher Sportvereine vom 6. bis 8. Mai bei der TSG Bergedorf-Hamburg einen plakativen und griffigen Wegweiser.

Jammern über schwächeren politischen Einfluss und Wohltaten gilt nicht. Sondern sich konstruktiv und partnerschaftlich einmischen und bei den Entscheidungen und Entscheidungsträgern Vertrauen gewinnen. Nicht nur melden, wenn Geld gebraucht wird. Die eigenen Hausaufgaben erledigen: Dass diese Strategie fruchtbar ist, erhärtete eine Reihe praktischer Beispiele bei der Sanierung von Sportzentren und Bädern.

Die politische Landschaft verändert sich

Mitglieder des Arbeitskreises „Sportpolitisches Forum“ lieferten die Bestandaufnahme. Alexander Pfeiffer (Arheilgen) beschrieb Veränderungen in der politischen Landschaft: dramatische Überschuldung der Kommunen, vor allem der Städte; Kürzung der freiwilligen Leistungen;  Prioritäten (soziale Projekte). „Sie werden auf lange Sicht anhalten. Gewachsene Einflussbezüge verändern sich.“ Die Zahl der Fraktionen steigt, unerfahrene Kommunalpolitiker ersetzen die alten Gesprächspartner, und die nehmen Sport nicht als bedürftig wahr, sondern - durch die Dominanz des Profisports - als reich. Auch das Dreieck Verwaltung, Politik, Verein polarisiert sich. Controlling und fehlende Kompetenz nehmen zu.

Das eigene Leitbild zeitgerecht aufzuarbeiten, ist Voraussetzung für vernünftiges Politik-Management. Im Wettbewerb um politische Aufmerksamkeit heißt die Parole: Weniger Dienstleistung, der Mehrwert des Vereins, gesellschaftspolitische Integration und der gesellige Faktor sind gefragt.

Die Schar der Vereins-Geschäftsführer wächst

Zwei Entwicklungen verstärken sich auf Vereinsseite: Die Generation der Vielämtler mit Funktionen in Sport, Politik und anderen Organisationen stirbt aus. Die Schar der Geschäftsführer in Großvereinen, die zu hauptamtlichen Vorsitzenden aufsteigen, wächst. Ihnen bleibt angesichts der Aufgabenfülle im Tagesgeschäft kaum Spielraum und Muße, in ihrer Freizeit auch noch Politik zu gestalten.

Regelmäßige Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern, Auf- und Ausbau von Netzwerken unter der Meinungsführerschaft der Großvereine, ein ehrliches strategisches Konzept zur Positionierung des Vereins im Gemeinwesen und glaubwürdige Darstellung, steckte Pfeiffer als Orientierungsrahmen ab.

Einmischen ohne maßlos und aufdringlich zu wirken

Klaus-Dieter Remberg, Vorsitzender des TV Jahn Reine, brachte Psychologie, Respekt und Vertrauensverhältnis ins Spiel. „Sportpolitiker sind nicht unbedingt die Fachleute der Fraktionen.“ Die Entscheidungskompetenz liegt häufig bei Finanz- und Hauptausschüssen. „In vielen Gemeinden ist der Sportausschuss ein Alibi-Ausschuss.“ Söhnke P. Hansen (VfL Pinneberg) glaubt: „Insgesamt sollten Politiker bei den Vereinen fast eine fast eine politische Schulung machen.“ Nach Wahlperioden gelte es, den Sport alle vier Jahre neu zu erklären. Da Nicht-Parteigänger aus den Vereinen selten - am ehesten in kleinen Dörfern - die Chance erhalten, in die Gremien zu gelangen, ist der Umweg über Sportkommissionen und Beiräte fruchtbar.

Ein Drittel der 66 beim FK-Seminar präsenten Vereine beschreitet diesen Weg schon. Alexander Pfeiffer am Beispiel Darmstadt: „In der Sportkommission wird mittlerweile die eigentliche Sportpolitik gemacht“ (Diskussion des Haushalts, Verteilung der Zuschüsse). Einladungen zu Fraktionssitzungen in den Räumen des Vereins, Austauschrunden nach Fest- oder Mitgliederversammlungen sind hilfreich.

Hansen: „Die Stunde danach, da wird Politik gemacht.“ Sachliche Darstellung ohne Forderungen schaffen Vertrauen. Remberg: „Es gibt immer die Kontakte zwischen Sport und allen Politik-Bereichen, da muss der Sport Überzeugungsarbeit leisten.“ Schnelligkeit und Flexibilität beim Entscheiden und Handeln sowie Fachkompetenz sind Stärken des Vereinspersonals im kommunalen Umfeld.

Im Dialog sollte der Vorstand verantwortungsbewusst, geschlossen auftreten - kompetent, besonnen und verbindlich. Politik ist auch kein Olymp. Pfeiffer „Das sind wir. Wir sind Teil der Politik, das muss die Position sein, die wir einnehmen.“

Die Hamburger Erklärung stellt den Wert der Vereine für die Gesellschaft heraus: Gesundheit, Gemeinschaft/Solidarität, soziale Integration, ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung beim Nachwuchs, Bildung und Erziehung in Schule und Kindergarten, Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber, Wertschöpfung, Image und Identität, lauten die Passwörter gedeihlicher Sozialarbeit und Lebensqualität.

Die Selbstverpflichtung im zweiten Teil verlangt von den FK-Vereinen:

Gesicherte Präsens in Entscheidungsgremien. Verstärkte Akzeptanz in Kooperationen mit Politik und Wirtschaft. Regelmäßigen Kontakt mit Politikern. Geregelte Zuständigkeiten für den politischen Dialog im Verein.

Ein strategisches Konzept zur Positionierung im Gemeinwesen. Motor, Initiator und Hauptdarsteller im Netzwerk einer Kommune: „Dabei steht außer Frage, dass die  jeweiligen Zuständigkeiten der Partner anerkannt werden.

Vertrauensbildung stellt sich für alle Beteiligen als Daueraufgabe“, schließt das Papier.


  • Die Sportvereine wollen mit der Hamburger Erklärung vermehrt Einfluß auf die Politik nehmen. Copyright: picture-alliance
    Die Sportvereine wollen mit der Hamburger Erklärung vermehrt Einfluß auf die Politik nehmen. Copyright: picture-alliance