Schrille Botschaften

 

Moderne Lebenshilfe gibt es auf dem Zeitschriftenmarkt bekanntlich bis zum Überdruss. Da wird in den einschlägigen Gazetten mit ständig

neuen Bewegungsprogrammen und Ernährungskonzepten genervt, zur ultimativen Wohlfühl-Strategie genötigt und unermüdlich zur muskel- wie persönlichkeitsbildenden Runderneuerung aufgerufen. Doch solcherlei allumfassende Fitness-Offensive verstehen nicht nur die Zentralorgane der Körpersanierung als Dauerauftrag. Auch in der Welt des organisierten Sports ist man jetzt verstärkt dem Zeitgeist auf der Spur. Dabei gelingt es zuweilen sogar, die vornehmlich jugendorientierten Trend-Strategen des freien Marktes alt aussehnen zu lassen. Beispiel gefällig?

Die „Fitnews“ eines Millionen-Verbandes überschlagen sich geradezu mit dynamischen Empfehlungen in unvermeidlicher anglizistischer Wortklauberei. Dass zu einer „Top-Convention“ auch „Top-Presenter“ gehören, nimmt man noch halbwegs gleichgültig hin. Doch bei der „Power für die Wirbelsäule“ droht bereits körperlicher Schmerz, der mit der Angebotsvielfalt dann schleichend in Geistes- oder gar Seelenpein übergeht. Denn selbst vor „Power-Yoga“ wird nicht zurückgeschreckt, nachdem man sich mit „Street Motion, Pilates Experience, Video Clip Dance, Body-Mind/Wellness, Qi-Ball oder Mental Centering“ bereits gehörig verausgabt haben dürfte. Da lockt dann die „Pool Party“ zur Regeneration, bevor bei „Fun & Dance“ endlich „Crazyness“ sich breit machen kann. So weit muss es einfach kommen, wenn keiner auf die Euphoriebremse tritt. Dann lautet die unmissverständliche Botschaft eben: Abheben ins Fitness-Nirwana.

Doch gleichzeitig wird die Frage aufgeworfen: Wer will da eigentlich hin? Freizeitfrustrierte Massen von Jugendlichen können es jedenfalls nicht sein, wenn man neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen folgt. Ein Forscherteam um Professor Jürgen Baur von der Universität Potsdam hat bei einer Untersuchung über Mitgliedschaften in Sportvereinen beispielsweise ermittelt, dass die herkömmlichen Angebote einschließlich der Gemeinschaftswerte auch und gerade bei jungen Menschen zeitlos populär sind. Nichts ist mit Fun ohne Ende und Alternative oder Dauer-Power im Dienste des Zeitgeistes. Es sind vielmehr die Beziehungen zum guten alten Verein, die sich als eng und zukunftsfähig auszeichnen. Da mag man auf dem Markt der unbegrenzten Fitnessmöglichkeiten noch so schrill und schräg lamentieren.