Schulsport muss Gesundheitskompetenz vermitteln

Der Schulsport muss den Schülern individuelle Möglichkeiten bieten. Wichtig ist die Vermittlung von Gesundheitskompetenz.

In der Praxis bleiben nur acht bis zehn Minuten für eine Bewegung in mindestens mittlerer Intensität im Schulsport übrig. Foto: LSB NRW
In der Praxis bleiben nur acht bis zehn Minuten für eine Bewegung in mindestens mittlerer Intensität im Schulsport übrig. Foto: LSB NRW

„Schulsport scheint zum Breitbandantibiotikum für gesellschaftliche Defizite und Anliegen zu avancieren“, sagt Magister Brigitta Höger vom Institut für LehrerInnenbildung der Universität Wien. Denn die Bildungs- und Gesundheitspolitik fordert vom Schulsport unter anderem die Förderung der physischen und psychischen Gesundheit. Dazu kommt die Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit und der sozialen Lernmöglichkeiten. Weiter erwartet man die Erziehung zu einem gesunden und bewegten Lebensstil sowie die Vermittlung der Grundfähigkeit für ein lebenslanges Sporttreiben. Ob dazu wöchentlich zwei bis vier Mal 50 Minuten Sportunterricht ausreichen, hat Höger untersucht.

Sie sagt: „Die Forderungen lassen sich grundsätzlich rechtfertigen, da empirische Befunde derartige Wirkweisen des Sportes grundsätzlich belegen. Als problematisch ist jedoch zu werten, dass jene Wirkmechanismen des Sportes, die unter meist hochspezifischen Bedingungen in empirischen Studien untersucht wurden, häufig uneingeschränkt auf das Unterrichtsfach Sport übertragen werden. „Sport macht klug!“ – „Sport steigert die Konzentrationsfähigkeit!“ – „Sport schützt vor Adipositas!“ Aber welcher „Sport“ ist denn gemeint?“

Denn der Sport hat viele Facetten, wie Dauerlauf, ein Ballspiel, ein Hindernisparcour, eine Bergwanderung, eine Yoga-Einheit, ein lateinamerikanischer Tanz oder eine Jonglier-Übung. Geklärt werden müsste jedoch die spezifische Form von Sport und der Umfang, um eine relevante, „messbare“ Verbesserung der Leistung herbeizuführen. Bei der tatsächlichen Umsetzung des Sportunterrichts ist dies kaum möglich.

Wöchentlich werden je nach Schulstufe und Schulform zwei bis vier Mal 50-minütige Stunden gegeben. Der größte Teil der Stunde geht für Umziehen, Hin- und Wegräumen, Erklärung und Organisation drauf. In der Praxis bleiben dann acht bis zehn Minuten für eine Bewegung in mindestens mittlerer Intensität übrig. Das reicht jedoch nicht für eine positive Wirkung auf die aerobe Ausdauer und die Fettverbrennung aus. Ganz zu schweigen vom Training der Konzentration zur Förderung der Konzentrationsfähigkeit.

„Den einen Sportunterricht, der eine gesamte junge Generation gleichermaßen fit, gesund, klug, sozial kompatibel und selbstbewusst macht, gibt es nicht. Stattdessen gibt es unzählige verschiedene Ausprägungs- und Inszenierungsformen von Bewegung, Sport und körperlicher Aktivität, eine hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Interessen äußerst diverse Schülerschaft, ein von Schule zu Schule spezifisches Setting und völlig verschiedene Lehrkräfte, die unterschiedlich intensive Anstrengungen unternehmen. Die erfolgreiche Umsetzung einzelner Forderungen wird immer auf Kosten anderer geschehen. Es besteht aber die Gefahr, das ein großer Teil der Schüler auf der Strecke bleibt“, erklärt Brigitte Höger.

Der Schulsport muss den Schülern daher individuelle Möglichkeiten bieten. Wichtig ist das  Vermittlung von Gesundheitskompetenz, also den reflektierten Umgang mit dem eigenen Körper und der eigenen Gesundheit. Schafft der Schulsport dies, treiben viele Jugendliche auch außerhalb der Schule, beispielsweise in Vereinen, weiter Sport.

Brigitta Höger kommt zum Schluss: „Ob zwei bis vier 50-minütige Einheiten pro Woche ausreichen, sie dafür zu motivieren, sei dahingestellt. In jedem Fall werden voll ausgebildete Lehrkräfte gebraucht, die in der Lage sind, den Schulsport in einer mehrperspektivischen Weise zu gestalten und sich bewusst gegen einen limitierten Sportartenkanon und eine reine Leistungsorientierung entscheiden.“

Alle Ergebnisse werden auf dem Kongress der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin Ende Juni in Salzburg vorgestellt.

(Quelle: DOSB-Presse, Ausgabe 25)

 


  • In der Praxis bleiben nur acht bis zehn Minuten für eine Bewegung in mindestens mittlerer Intensität im Schulsport übrig. Foto: LSB NRW
    Kinder beim Schulsport in einer Sporthalle. Foto: LSB NRW