In dieser Zeit, wo das eigene Sporttreiben für uns höchst eingeschränkt bzw. so gut wie gar nicht möglich ist, freuen sich viele, wenigstens dann und wann mal Sportereignisse live im Fernsehen verfolgen zu können. Sieht man vom Profisport im Bezahl-Fernsehen einmal ab, sind das momentan saisonbedingt hauptsächlich Wintersportarten, dazu zwischendurch mal ein bisschen Handball von der Weltmeisterschaft in Ägypten mit dem Team des Deutschen Handballbundes. Und sonst? Ach ja, da war noch was … an einem Freitagabend im Januar zur Primetime ab 20.15 Uhr konnten Interessierte gleich zwischen zwei ganz besonderen Sport-Sendungen wählen, mussten sich also entscheiden oder zappen – nämlich zwischen dem „Sportabzeichen für Anfänger“ hier und der „Deutschen Meisterschaft im Fangen“ dort. Wie das? Bei einer Sendung mit dem Titel „Sportabzeichen für Anfänger“ könnte man sogar vermuten, es handele sich – mit dem DOSB als Ideengeber – um einen Lehrfilm, der Interessierten, die das Abzeichen zum ersten Mal erwerben wollen, anschaulich vorführt, was sie dort erwartet und wie sie sich auf die Übungen so vorbereiten können, dass am Ende Gold, Silber oder Bronze herauskommt.
Tatsächlich waren immer mal kurze Szenen mit der Abnahme der Übungen im Laufen, Springen, Werfen zu sehen: Wurden die sogar auf der Sportanlage jenes Berliner SC an der Hubertusallee in Schmargendorf gedreht, wo ein Carl Diem einst 1912 die ersten Prüfungen selbst abgenommen haben könnte – egal: In der Komödie (Regie: Thomas Roth) wurde ein ziemlich ungleiches Duell aufgeführt, was so ziemlich alle Plattitüden und Peinlichkeiten bediente, die man sich vorstellen kann, aber nicht unbedingt wünscht, wenn ein „Sportabzeichen für Anfänger“ abgelegt werden soll. So gesehen könnte man die sportlichen Darbietungen auch mit dem Prädikat „pädagogisch höchst ungeschickt“ abtun. Wenigstens sind Bertram (Christian Berkel) und Stefanie (Andrea Sawatzki) am Ende ein Paar, also doch: Happy End in Gold!
Senderwechsel: Zur gleichen Zeit lief anderswo live die „Deutsche Meisterschaft im Fangen“ 2021, vermutlich die allererste (Studio-) Hallen-Meisterschaft in diesem Jahr. Aus Sicht der Sportorganisationen ließe sich hier die Frage stellen, welcher (nicht-olympische) Mitgliedsverband sie denn ausgerichtet hat? Die Antwort lautet: Luke Mockrigde, der schließlich mit seinem Team am Ende den Titel gewann. Im Kern ging es bei diesem Championat, das schon seit drei Jahren via TV läuft, um direkte Duelle zwischen einer Person oder mehreren in Teams, die mit Fangen im Sinne von „Abschlagen“ (neuhochdeutsch: „Catch!“) jeweils ihren Höhepunkt bzw. das (siegreiche) Ende finden sollten. In herkömmlicher methodisch-didaktischer Terminologie würde man solche Wettkampfformen in der Halle u.a. als „Sechstagerennen“ und „Fangen im Hindernis-Labyrinth“ betiteln ... „Around the Block“ und „Obstacle Race“ klingt natürlich trendiger!
Versuch eines Fazits: In beiden Sendungen haben sich zwei Sportwelten (nicht) getroffen: Tradition gegen Moderne!? Aber beide haben auf ihren jeweiligen Bühnen „Regeln als Bauprinzipien des Sports“ (nach Helmut Digel) anschaulich und unterhaltsam zur Aufführung gebracht. Und so darf ganz am Ende wenigstens beiläufig die Frage gestellt werden, ob nicht irgendwann „Fangen“ mit seinen unterschiedlichen Disziplinen eine olympische Sportart werden kann. Die Disziplinen des Sportabzeichens sind es ja schon!
(Autor: Prof. Dr. Detlef Kuhlmann)
In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.