Sportmedizin im Spitzensport auf London eingestellt

Olympia-Arzt Bernd Wolfarth und zahlreiche andere Referenten bereiteten die Verbandsärzte im Rahmen der 27. DOSB-Tagung „Sportmedizin im Spitzensport“ auf London 2012 vor.

Der leitende Olympia-Arzt Bernd Wolfarth bei der DOSB-Tagung der Sportmediziner. Foto: DOSB
Der leitende Olympia-Arzt Bernd Wolfarth bei der DOSB-Tagung der Sportmediziner. Foto: DOSB

In allen Sportarten hat sich der Anteil von Wettkämpfen im Jahr drastisch erhöht. Generell ist von einem fast ganzjährigen Wettkampfsystem in der Mehrzahl der Sportarten auszugehen. Dabei ist eine Teilnahme oft nicht zu umgehen, da die Wettkämpfe teilweise Nominierungscharakter tragen und die Preisgelder für die Finanzierung eines professionellen Trainings notwendig sind.  

Auf der Grundlage dieser Beobachtung stellte der Direktor des IAT Leipzig,  Arndt Pfützner im Rahmen der DOSB-Tagung am 25./26. November 2011 fest: „Die veränderten Bedingungen in den Wettkampfsystemen bedingen neue Lösungen in den Trainingssystemen. Wettkämpfe müssen in das Trainingssystem eingeordnet und als hoher Trainingsreiz, mit der notwendigen Regeneration im Jahresverlauf gezielt zur Leistungssteigerung genutzt werden. 

Über 200 Verbandsärztinnen und -ärzte waren der Einladung des DOSB nach Oberursel gefolgt, um sich für die kommenden Monate auf dem Weg zu den Olympischen Spielen nach London auf den aktuellen Stand zu bringen. Belastung und Regeneration stellten die zentralen Themen der Veranstaltung dar. 

Messbarkeit von Regeneration

Ernüchternd waren die Ausführungen von Tim Meyer (Saarbrücken) zur Messbarkeit von Regeneration. Gleich ob Leistungsfähigkeit ergometrisch oder psychometrisch, mit motorischen Tests, labortechnisch oder anhand der Herzfrequenz ermittelt wird, führen die wissenschaftlichen Ergebnisse zu den Parametern zu dem Schluss, dass eine zuverlässige Erfassung der Gesamterholtheit schwierig ist. „Die meisten Indikatoren erfassen Erschöpfungsebenen wenn überhaupt nur partiell. Dabei muss sich die Wahl von Indikatoren an Sportartcharakteristika orientieren und Überinterpretationen sind unbedingt zu vermeiden.“, so der Arzt der deutschen Fußballnationalmannschaft. Axel Urhausen (Luxemburg) beschäftigte sich mit der Wirksamkeit von Maßnahmen zur aktiven Regeneration. Bei der Bewertung von aktiver Regeneration durch Training, Ernährung, Kälteanwendungen, Kompressionstextilien und Elektrostimulation zeigen wissenschaftliche Studien sehr uneinheitliche Ergebnisse. 

„Wichtig ist: Setzen Sie sich mit der Biomechanik und Anatomie auseinander!“, forderte Olaf Büttner (Basel) die Teilnehmer auf. In seinen Ausführungen zeigte er die häufigsten Überlastungsschäden an Fuß und Sprunggelenk und deren Therapieansätze auf. Casper Grim (Osnabrück) ergänzte diese Betrachtungen um die Beschwerden an der Schulter im Zusammenhang mit Leistungssport. 

Vorbeugung traumatischer Kopfverletzungen

Der Neuropsychologe Andreas Eidenmüller (Würzburg) ging anhand einiger eindrucksvoller Beispiele auf das Erkennen, Behandeln und Vorbeugen von traumatischen Kopfverletzungen im Sport ein. Dabei stellte er heraus, dass nachdem strukturelle Schädigungen ausgeschlossen wurden im Rahmen eines neuropsychologischen Testverfahrens funktionelle Schädigungen des Gehirns festgestellt werden können. Dies dient der Vermeidung von Langzeitschäden und bietet eine fundierte Entscheidungsgrundlage zur Rückkehr in das Trainings- und Spielgeschehen. Der Leitende Olympiaarzt, Bernd Wolfarth (München/Leipzig) folgerte: „So wie wir bei Infekten diagnostisch konsequent vorgehen, sollten wir dies auch bei Kopfverletzungen tun.“

Anti-Doping-Seminar für Verbandsärzte

Im Rahmen des Anti-Doping-Seminars waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der WADA-Verbotsliste 2012 und den wichtigsten Abläufen bei der Gabe von Medikamenten durch die NADA vertraut gemacht worden. Die Vorstandsvorsitzende der NADA, Andrea Gotzmann, hatte die Ausrichtung der Anti-Doping-Organisation deutlich gemacht. Dabei geht es in den kommenden Jahren vorallem um die intelligente Testung der Athleten verbunden mit der Einführung des Blutpasses und gleichzeitig um die Intensivierung der Präventivangebote gegen Doping. 

Kontrovers diskutiert wurden drei Fallbeispiele aus dem Spannungsfeld der Tätigkeit als Verbandsarzt. Jürgen Steinacker (Ulm) berichtete über die Erfahrungen mit der „No-Needle-Policy“ im Rudern und im Radsport. Im August 2011 hat das IOC angekündigt, diese Regelung auch bei den Olympischen Spielen in London anzuwenden. Demnach ist der Einsatz von Nadeln nur noch den Mannschaftsärzten bei klarer Indikation und Meldung beim Wettkampfarzt gestattet. 

Detlef Thieme vom Dopinglabor in Kreischa präsentierte den aktuellen Stand zum Nachweis von Doping mit Wachstumshormonen. „Es sind klare Fortschritte und eine ordentliche Nachweisquote zu erkennen.“, so der Rechtsmediziner. 

Als Auszug aus dem Forschungsprojekt „Doping in Deutschland“ berichtete Marcel Reinold (WWU Münster) von den Folgen der Olympischen Spiele in Montreal auf den Anti-Doping-Kampf, insbesondere die Lösungsansätze aus Sport und Politik. Dabei müsse die Anwendung von medizinisch und ethisch fragwürdigen Methoden in der deutschen Olympiamannschaft als verzweifelter Versuch, mit Hilfe erfolgsversprechender Innovationen den Vorsprung der übermächtigen Konkurrenz aus dem Osten auszugleichen. Ebenso sei Doping mit Anabolika als Nachteilvermeidungsstrategie zu verstehen, um vor dem Hintergrund der weiten Verbreitung Chancengleichheit herzustellen. Die Folgerungen in Staat und Sport müssen als Ausgangspunkt der heutigen Regelungen und deren Handhabung verstanden werden. 

Bernd Wolfarth fasste zusammen: „Mein Ziel war es, dass dieses Treffen uns allen dabei hilft, die Gesundheit unserer Aktiven bestmöglich zu bewahren bzw. wiederherzustellen und gleichzeitig unserer Mitverantwortung für einen dopingfreien Sport gerecht zu werden.“ Die Sportmedizinerinnen und Sportmediziner sind von Fuß bis Kopf auf London eingestellt.

(Quelle: DOSB)


  • Der leitende Olympia-Arzt Bernd Wolfarth bei der DOSB-Tagung der Sportmediziner. Foto: DOSB
    Der leitende Olympia-Arzt Bernd Wolfarth bei der DOSB-Tagung der Sportmediziner. Foto: DOSB