Sportunterricht an den Grundschulen ist gefährdet

Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat auf ihrer Oktober-Sitzung in Saarbrücken die sog. „Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung“ beschlossen.

Die Deutshce Vereinigung für Sportwissenschaft wehrt sich gegen die Zusammenlegung der Fächer Sport, Kunst und Musik. Copyright: picture-alliance
Die Deutshce Vereinigung für Sportwissenschaft wehrt sich gegen die Zusammenlegung der Fächer Sport, Kunst und Musik. Copyright: picture-alliance

In diesen Richtlinien für die Ausbildung aller Lehramtsstudierenden an den Universitäten und Hochschulen in Deutschland werden für alle Unterrichtsfächer und -bereiche sog. „Fachprofile“ entwickelt, die Ausbildungsinhalte in den verschiedenen Lehramtsstudiengängen vorgeben sollen und damit letztlich auch die Ausge-taltung des Fachunterrichts an den Schulen bestimmen. Das in diesem Zusammenhang für das Fach Sport erstellte Fachprofil für den Bereich der Primarstufe (Grundschule) ist aus Sicht der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) fachwissenschaftlich und fachdidaktisch inakzeptabel.  

In der vorgesehenen Verbindung der Fächer Kunst, Musik und Sport zu einem Bereich „Ästhetische Bildung“ in der Grundschule nehmen Bewegung, Spiel und Sport nur noch eine unbedeutende Nebenrolle ein. Dies spiegelt in keiner Weise den tatsächlichen Stellenwert von Bewegung, Spiel und Sport für die Entfaltung und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen wider. Die dvs appelliert daher an die zuständigen Ministerien der Länder, diese Vorgaben der KMK nicht umzusetzen, und fordert die Präsidentin der KMK, die saarländische Bildungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, auf, den Beschluss der KMK zu revidieren.  

In der Stellungnahme der dvs mahnt deren Präsident Prof. Dr. Bernd Strauß (Münster) wörtlich: „Der Beschluss der KMK wird den Kindern in ihrer Entwicklung nicht helfen, sondern er wird ihnen schaden. Insbesondere die im Rahmen des Profils ‚Grundschulbildung’ entwickelten Anforderun-gen für den Studienbereich ‚Ästhetische Bildung: Kunst, Musik, Bewegung’ stoßen unter unseren Kolleginnen und Kollegen auf breite Ablehnung. Der Sportunterricht wird damit faktisch abgeschafft. Dies entspricht in keiner Weise den an anderer Stelle von der KMK und den einzelnen Länderministerien getroffenen Aussagen über die Bedeutung von Sport und Bewegung für Kinder im Grundschulbereich.“  

Weiter heißt es in der Stellungnahme der dvs zu der neuerlichen Entscheidung der KMK, dass die in vielen Bundesländern geförderten Konzepte der Bewegten Schule oder der täglichen Sportstunde durch die jetzt vorgesehene Einbindung des Faches Sport in den Studienbereich Ästhetische Bildung im Grundschulbereich geradezu konterkariert werden. Darüber hinaus werden von der KMK die Ergebnisse der seinerzeit durch den Deutschen Sportbund (DSB) geförderten sog. „DSB-SPRINT-Studie“ zur Situation des Sportunterrichts in Deutschland bzw. die Erkenntnisse des Zweiten Deutschen Kinder- und Jugendsportberichts offensichtlich vollständig ignoriert, wo die herausgehobene Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für die Entwicklung von Kindern auf der Grundlage zahlreicher empirischer Studien belegt wird. 

Der Sprecher der Sektion Sportpädagogik der dvs, Prof. Dr. Nils Neuber (Münster), fordert sogar angesichts der Ergebnisse dieser Studien: „Nicht die Reduzierung, sondern die Aufstockung von Ausbildungsinhalten im Bereich Sport und Bewegung sind aus unserer Sicht die logische Konsequenz aus diesen Befunden.“ Die Einführung eines verpflichtenden Moduls „Bewegung, Spiel und Sport“ für Primarstufenstudierende aller Studienrichtungen ist aus Sicht der dvs zwingend notwendig, um die Entwicklung von Grundschülern heute adäquat zu fördern. Die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft sichert ihre konstruktive Mitwirkung zu, um die von der KMK angestrebte, bislang jedoch nicht zufriedenstellend umgesetzte Einbindung fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Kompetenz bei der Ausgestaltung dieser inhaltlichen Anforderungen zu realisieren. Der Wortlaut der vollständigen Stellungnahme der dvs ist im Internet unter www.sportwissenschaft.de abrufbar.

Sportkreise und Mitgliedsvereine im WLSB fordern mehr Qualität beim Schulsport

Mehr und besseren Sport an den Schulen im Land muss das Gebot der Stunde sein, so das Fazit der Vollversammlung der Sportkreise und Mitgliedsvereine des Württembergischen Landes-sportbundes (WLSB), die sich am 28./29. November zu ihre Herbsttagung in Giengen/Brenz getroffen hat. „Mit großer Sorge hat die Versammlung die Ergebnisse des 2. deutschen Kinder- und Jugendsportberichts diskutiert“, so WLSB-Vizepräsident Rainer Kapellen (Weingarten). Für die Delegierten war es nicht nachvollziehbar, dass der Sportunterricht allzu oft ausfällt und häufig von dafür nicht ausgebildeten Lehrkräften gehalten wird - obwohl die vielen positiven Wirkungen des Sports auf die Entwicklung der Kinder mehrfach wissenschaftlich belegt sind. Die Sport-vertreter unterstützten deshalb auch die Forderung von WLSB-Präsident Klaus Tappeser nach der täglichen qualifizierten Sportstunde. 

„Wir wissen heute“, so WLSB-Geschäftsführer Wolfgang Eitel, „wie wertvoll sportliche Bewegung für das soziale Klima an der Schule und die Verbesserung der kognitiven Lernleistung ist.“ Ange-sichts der steigenden Zahl von Ganztagsschulen in Baden-Württemberg werde es entscheidend darauf ankommen, dass alle Schüler ihre tägliche „Sport- und Bewegungsstunde“ erhalten. Die Sportvereine vor Ort mit ihren qualifizierten Übungsleitern seien gerne bereit, mit den Schulen zu kooperieren. Diese könnten jedoch nicht den eigentlichen Sportunterricht ersetzen. Um die notwendigen Verbesserungen im Schulsport herbeizuführen, hofft die Vollversammlung auf Kultusminister Helmut Rau. „Wir erwarten, dass die Ergebnisse des 2. deutschen Kinder- und Jugendsportberichts und die wissenschaftlichen Arbeiten des Hirnforschers Prof. Dr. Dr. Spitzer von der Universität Ulm in die jetzt anstehende Neuordnung der Studiengänge für Lehrkräfte an Grundschulen und an Haupt- und Realschulen einfließen. Sport muss neben Deutsch und Mathematik zu einem zentralen Hauptfach entwickelt werden“, forderte WLSB-Vizepräsident Rainer Kapellen, der bei der Versammlung ein entsprechendes Schreiben an Kultusminister Rau ankündigte. 


  • Die Deutshce Vereinigung für Sportwissenschaft wehrt sich gegen die Zusammenlegung der Fächer Sport, Kunst und Musik. Copyright: picture-alliance
    Die Deutshce Vereinigung für Sportwissenschaft wehrt sich gegen die Zusammenlegung der Fächer Sport, Kunst und Musik. Copyright: picture-alliance