Sünder, Betrüger, Diebe oder Schänder?

Die Haltung von Medien gegenüber gedopten Athleten ist eine Gratwanderung. Zumindest darüber waren sich die Teilnehmer aus über 30 Ländern am 12. Seminar für Sportjournalisten in der Internationalen Olympischen Akademie (IOA) einig.

Sportjournalisten aus über 30 Ländern beschäftigten sich mit dem Thema "Doping". Coypright: picture-alliance
Sportjournalisten aus über 30 Ländern beschäftigten sich mit dem Thema "Doping". Coypright: picture-alliance

Ansonsten offenbarte die Diskussion über den Umgang mit des Dopings überführten Sportlern vor allem eins: national höchst unterschiedliche Sichtweisen. Schon eine weltweit gültige, einheitliche Bezeichnung für sie zu finden erwies sich als schwierig. Sind es Sünder oder Betrüger, Diebe oder Schänder? Oder einfach nur ganz neutral Doper?

Zu einer besonderen Herausforderung wird der Umgang, wenn nationale Sporthelden betroffen sind, wie das Beispiel von Argentiniens Fußball-Star Diego Armando Maradona zeigt. Trotz positiver Tests auf Kokain 1991 und Ephedrin 1994 ist der Dribbelkünstler heute gefeierter Nationaltrainer der „Albiceleste“. Seine Verfehlungen der Vergangenheit scheinen vergessen. In der Regel werden überführte Athleten jedoch gebrandmarkt. Die dabei verwendete, oft emotionale Sprache unterstreicht den Wunsch unserer Gesellschaft nach ethischen Standards. Führt das womöglich gar zu einem unfairen Umgang mit Dopern? Nein, wie das von der rumänischen Journalistin Daniela Ionescu angeführte Beispiel von Turnerin Andrea Raducan zeigt. Sie verlor bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney ihr Mehrkampf-Gold nach einem positiven Test auf Pseudo-Ephedrin. Dieses war ihr von einem Arzt wegen einer Erkältung verabreicht worden. Nachweislich zog sie daraus keinen Vorteil. Kurze Zeit später wurde die Substanz sogar von der Dopingliste gestrichen. Ihre Goldmedaille war Raducan aber los. Da blieb das Internationale Olympische Komitee (IOC) hart, obwohl sich Medien und Öffentlichkeit auf ihre Seite schlugen.

Der Sport-Informations-Dienst (SID) schrieb im September 2000 beispielsweise: „Ein unfähiger Mannschaftsarzt hat Kunstturn-Königin Andrea Raducan um ihre Goldmedaille im Mehrkampf gebracht und für einen neuen bizarren Dopingfall bei den Olympischen Spielen in Sydney gesorgt.“ Die Fälle Raducan und Maradona zeigen die Schwierigkeit für Medien, das Thema Doping einzuordnen ohne vorzuverurteilen bzw. sich vom Glanz eines Weltstars blenden zu lassen. In Ländern mit nur wenigen „Olympiahelden“ scheint die Gefahr einer emotionalisierten und wenig differenzierten Berichterstattung indes besonders hoch.

Deutlich wurde auch, dass in vielen Drittwelt-Ländern eine kritische Auseinandersetzung mit Themen wie Doping im olympischen Sport nur schwer möglich ist. Journalisten aus betroffenen Nationen können häufig nur mit finanzieller Unterstützung ihrer Nationalen Olympischen Komitees (NOKs) zu Sport-Großereignissen wie Olympischen Spielen reisen. Im Umkehrschluss erwarten die NOKs eine Berichterstattung in ihrem Sinne, erzählte der kenianische Radioreporter Chris Makamu Mbaisi. Ein Grund für die difuse Haltung der Medien gegenüber überführten Dopern scheint die Frage nach den Werten des Sports zu sein. Gibt es sie überhaupt oder ist der Hochleistungssport zu einem reinen Showgeschäft verkommen? Alan Abrahamson, Kolumnist für Olympia-Themen beim US-Fernsehsender NBC, verwies auf die unklaren Formulierungen in der IOC-Charta, in der der Begriff Werte ganze sechs Mal auftaucht. Zwar verlangt die Charta, dass Medien durch ihre Berichterstattung von den Spielen die olympischen Werte transportieren. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff eigentlich? Die Charta verzichtet auf eine Definition und machte es damit unnötig schwer, den Umgang mit Dopern über Ländergrenzen hinweg zu vereinheitlichen.

Nach vier Tagen, in denen die Seminarteilnehmer den Geist des antiken Olympias aufsogen und nach Lösungen für die Probleme der Olympischen Spiele des neuen Jahrtausends suchten, stand eins fest: Journalisten können nicht an Aladins Wunderlampe reiben und Lösungen herbeizaubern. Aber sie können durch Kommunikation untereinander die verschiedenen Sichtweisen besser verstehen lernen und damit ihre Leser, Zuschauer und Zuhörer umfassender informieren.


  • Sportjournalisten aus über 30 Ländern beschäftigten sich mit dem Thema "Doping". Coypright: picture-alliance
    Sportjournalisten aus über 30 Ländern beschäftigten sich mit dem Thema "Doping". Coypright: picture-alliance