Vollversammlung der Athletenvertreter 2008 in Düsseldorf

Vom 31. Oktober bis 01. November sind die Athletenvertreter der DOSB-Spitzenverbände in Düsseldorf zur jährlichen Vollversammlung zusammen gekommen. Im Rahmen der vom Beirat der Aktiven initiierten Podiumsdiskussion und der am folgenden Tag stattfindenden Vollversammlung konnte der Beirat wichtige Arbeitsschwerpunkte für das Jahr 2009 fest setzen.

Nach der jüngsten Vollversammlung der Aktivenvertreter aus den insgesamt 60 Verbänden der olympischen und nichtolympischen Sportarten lässt sich konstatieren: Vieles spricht dafür, dass die Anerkennung dieses Gremiums desgleichen innerhalb des organisierten Sports inzwischen eine bislang nicht gekannte Qualität erreicht hat. „Ich bin jetzt das vierte Mal dabei, und es ist in Bezug auf die Zahl der Teilnehmer, die Organisation und das Programm bisher die beste Veranstaltung gewesen“, bilanzierte beispielsweise Sebastian Dietz. Der Moderne Fünfkämpfer hob insbesondere zwei Themenfelder hervor, die den Athletenvertretern ständig auf den Nägeln brennen und die Arbeit des Beirats latent begleiten: Einmal sei dies die duale Karriere sprich: die berufliche Ausbildung und die Perspektiven parallel zur oder anschließend nach der sportlichen Karriere. Zweitens seien dies die persönlichen Konsequenzen jedes Leistungssportlers infolge seiner Unterwerfung unter das internationale bzw. nationale Kontrollsystem der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA). Auch diesmal in Düsseldorf dominierten beide Themen die Vollversammlung. Einmütig wurde der Ruf nach einem einheitlichen „Gütesiegel Sport“ für Hochschulen erhoben und zugleich der Horror der Aktiven vor der „Einstunden-Regel“ formuliert, die mit Inkrafttreten des neuen WADA-Codes zum 1. Januar Einzug hält.  

Abgesandte aus fast 40 olympischen und nichtolympischen Verbänden 

„Ich bin durchaus zufrieden, sowohl mit unserer Arbeit im Verlauf des Jahres wie auch mit unserer sehr gut verlaufenen Vollversammlung“, lautete das Fazit von Christian Breuer, dem Vorsitzenden der Athletenvertretung im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Mit Abgesandten aus fast 40 Verbänden - darunter so prominente Akteure wie die viermalige Ruder-Olympiasiegerin Kathrin Boron und Bob-Olympiasiegerin Sandra Kiriasis oder Trampolinturner Henrik Stehlik, der 2004 in Athen Olympia-Bronze gewann - waren diesmal fast doppelt so viele Aktivensprecher wie in den vorangegangen Jahren zur Vollversammlung erschienen. „Mein Verband hielt es für wichtig, dass ich hier dabei bin und hat mich deswegen geschickt“, berichtete beispielsweise Sandra Kiriasis, warum sie trotz unmittelbarer Saisonvorbereitung den Weg ins Deutsche Tischtennis-Zentrum bzw. ins Sport-Hotel von Borussia Düsseldorf gefunden hat. „Die Verbände erkennen zunehmend die Wertigkeit des Beirats. Das ist eine positive Tendenz“, befand Marion Rodewald. Die Hockey-Olympiasiegerin gehört seit der Wahl 2006 wie Claudia Bokel (Fechten), Jana Miglitsch (Mini-Golf), Christian Breuer (Eisschnelllauf), Marcel Gölden (Schießen) und Mirko Heid (Baseball) zur aktuellen Führungsriege. Zunächst fungierte Claudia Bokel als Vorsitzende. Doch infolge der Olympiavorbereitung und im Sinne einer Optimierung der Beiratsarbeit übergab die Degen-Weltmeisterin, die in Peking als Athleten-Vertreterin ins Internationale Olympische Komitee (IOC) gewählt wurde und zugleich der europäischen Athleten-Kommission (EOC) vorsteht, dieses nationale Amt an den früheren Kufenflitzer und Olympia-Teilnehmer Christian Breuer.  

Silke Kassner, die Referentin des Beirats beim DOSB und mithin so etwas wie die Geschäftsführerin und damit die verantwortliche Organisatorin des alljährlichen Treffens der Athleten-sprecher, konnte den Aufwärtstrend zudem an einem weiteren Moment festmachen. Erstmals war es gelungen, mit Hilfe der Deutsche Sport-Marketing (DSM) und den Partnern der deutschen Olympiamannschaft für die Vollversammlung der Athletensprecher ausreichend Sponsoren zu gewinnen. „Diese Unterstützung war eine große Erleichterung“, meinte Silke Kassner, während DSM-Geschäftsführer Axel Achten bereits signalisierte: Diese Zusammenarbeit soll keine einmalige Angelegenheit gewesen sein, sondern fortgeführt werden. Damit könnte diese Kooperation womöglich eine Kontinuität gewinnen, wie sie für das „Fest der Begegnung“ der Stiftung Deutsche Sporthilfe (DSH) bereits typisch ist. Nunmehr schon zum dritten Mal trafen sich die Athletenvertreter just im Umfeld dieses Events, das damit seinem Namen zusätzlich Ehre macht. Schon traditionell halten am Rande des von der DSH veranstalteten Festes auch die Vertreter regionaler Sportförder-Initiativen ihr jährliches Treffen ab. 

Hochschul-Landschaft für den Leistungssport attraktiver gestalten 

Eine der deutlichen Botschaften, die vom „Beirat der Aktiven“ in Richtung Dachverband ausgesandt wurde, lautete: Der DOSB solle in Sachen der Partner-Hochschulen des deutschen Sports „mehr Flagge zeigen“. Zwar gibt es dieses Zertifikat bereits seit 1999, und aktuell schmücken sich bundesweit 168 Universitäten und weitere akademische Einrichtungen damit. Noch allzu oft aber handele es sich um eine Falschetikettierung, weil keineswegs die komplette Uni oder Hochschule dem „Studenten Leistungssportler“ gewogen seien und ihm gegenüber das notwendige Verständnis aufbringe, sondern mitunter bestenfalls Fakultäten, Fachbereiche oder gar nur einzelne Professoren. Man müsse sich als Leistungssportler jedoch „darauf verlassen können“, dass, wenn man sich an einer „Partnerhochschule des Sports“ einschreibe, dort anschließend auch gehalten werde, was der Name verspreche, betonte Marcel Gölden, zugleich Mitglied der AG „Duale Karriereplanung“. Mogelpackungen, so der einhellige Tenor unter den Athletenvertretern, dürfe es künftig nicht mehr geben. Zugleich müsse das Augenmerk darauf gelegt werden, dass Partnerhochschulen für den Sport vorrangig an jenen Standorten existieren, wo sich besonders viele Kader-Athleten oder Leistungszentren befinden.  

Umgekehrt machten solche Einrichtungen in jenen Städten überhaupt keinen Sinn, wo es gar keinen Leistungssport gibt. Der Vorschlag des Athletenvertreter: Unter Mitwirkung des DOSB solle es - ähnlich den Eliteschulen des Sports - eine Evaluation der akademischen Bildungseinrichtun-gen geben. Anschließend sollte ein verlässliches Gütesiegel vergeben, das für Leistungssportler, Eltern und Laufbahnberater an den Olympiastützpunkten gleichermaßen als sicherer Kompass taugt. „Wir brauchen so einen Beschluss“, betonte ein Vertreter des Behindertensport-Verbandes (DBS), „damit sich in der Hochschul-Landschaft tatsächlich etwas verändert“.

„Wir sind wieder einmal die Deppen“ 

Einen Beschluss hätte der „Beirat der Aktiven“ liebend gern ebenfalls in Bezug auf die neue „Einstunden-Regel“ im Anti-Doping-Kampf verabschiedet, der sich 700 bis 800 deutsche Top-Athleten mit Beginn des neuen Jahres unterwerfen müssen und die für gehörigen Unmut unter den Betroffenen sorgt. „Können wir dagegen etwas ausrichten? Das glaube ich nicht, da werden uns die Grenzen aufgezeigt“, sagte eine der Teilnehmerinnen entmutigt. Zuvor waren bereits NADA und DOSB mit dem Versuch gescheitert, die WADA von der Einführung dieser umstrittenen Neuregelung abzuhalten. Nicht nur, dass die Top-Athleten sowie die A-Kader aus jenen neun Verbänden, die mit Blick auf Doping in die höchste von drei Risikogruppen eingestuft werden, bis zum 25. Dezember ihre voraussichtlichen Aufenthaltsorte für die folgenden drei Monate im Voraus melden müssen. Zusätzlich müssen sich diese Sportler gegenüber der NADA pro Tag auf eine Stunde festlegen, in der sie an einem bestimmten Ort garantiert anzutreffen sein werden. Mit der Neuerung soll sichergestellt werden, dass Athleten den Dopingkontrolleuren täglich eine Stunde tatsächlich verfügbar sind. Der Hinweis von NADA-Justitiarin Anja Berninger, diese 60 Minuten selbstverständlich nicht täglich irgendwo tatenlos abzuwarten, sondern so festzulegen, dass sie sich in den normalen Tagesablauf integriere, konnte die Wogen nur bedingt glätten. „Wir sind wieder einmal die Deppen“, erklärte Bobpilotin Sandra Kiriasis und fragte in die Runde, wie den verschärften Regularien zum Beispiel an einem langen Reisetag entsprochen werden können, wenn ein Athlet kaum mal eine Stunde am selben Ort verbringe. Anrufen und in solch speziellen Fällen am besten der NADA direkt Bescheid geben, antwortete Anja Berninger und bat die Athletenvertreter, „die Negativstimmung, die zu spüren sei“ nicht zu den anderen Sportlern in den Verbänden weiter zu tragen. In Wirklichkeit, konterte einer der Diskussionsteilnehmer, sei diese Stimmung unter Sportlern ja bereits vorhanden. Die Athletenvertreter würden dies bei der Vollversammlung nur zum Ausdruck bringen.  

Trotz allem sei an dem neuen WADA-Code und seinen Konsequenzen nicht zu rütteln. Um dieses Verständnis warb wie Anja Berninger desgleichen DOSB-Vizepräsident Eberhard Gienger. Es gebe „keinen anderen Weg für Glaubwürdigkeit“, als dass sich die Athleten an diese Vorgaben halten. Das dazugehörige Meldesystem müsse den Athleten in Fleisch und Blut übergehen und ebenso zum Alltag gehören wie das tägliche Training oder die tägliche Massage, appellierte der „Vize“ für Leistungssport Gienger an die Athletenvertreter, die ihrerseits viel zu wenig im Lichte der Öffentlichkeit erkennen, welchen persönlichen Aufwand bis hin zu finanziellen Belastungen ihnen das Kontrollsystem aufbürdet. Können WADA und NADA den Sportlern - oft genug sogar sehr jungen - wirklich zumuten, dass sie allesamt im Besitz eines privaten Laptops sind, sich ständig und überall Zugang zu einem PC verschaffen oder sämtliche SMS-Gebühren aus der eigenen Tasche bezahlen, um immer und überall den Auflagen der Kontrolleure und des Meldesystems gerecht zu werden? So etwa lautet einer der grundsätzlichen Vorbehalte auf Seiten der Aktiven.  

Aktivenvertreter in sämtlichen Spitzengremien des Sports vertreten 

Eberhard Gienger, der zum Beispiel über das neue Steuerungs-Instrument der „Zielvereinbarung“ zwischen DOSB und Verbänden bzw. DOSB und Bundesinnenministerium berichtete, war einer von mehren Referenten bei der diesjährigen Tagung der Athletenvertreter. NADA-Vorstands-mitglied Dietmar Hiersemann skizzierte die Anstrengungen, welche im Kampf gegen Doping auf dem Gebiet der Prävention in diesem Jahr insbesondere an den Eliteschulen des Sports unternommen wurden und 2009 an den Olympiastützpunkten fortgesetzt werden. Anja Berninger gab einen Abriss zum neuen WADA-Code. Sporthilfe-Geschäftführer Michael Ilgner kündigte einige Korrekturen im Fördersystem hin zu übersichtlicheren, transparenteren Monatsraten für die Kader-Athleten an. Zugleich führte er bei dieser Gelegenheit Werner E. Klatten als den designierten neuen Vorstandsvorsitzenden der Sporthilfe ein. Der Medien-Manager wies darauf hin, dass er seine neue Aufgabe im „Teamwork mit Franziska van Almsick als Identifikationsfigur für die Sportler“ verstehe. Die Vertreter insbesondere der olympischen Sportarten machten kein Hehl daraus, dass sie die sportlichen Leistungen der früheren Weltklasseschwimmerin respektieren und die Wahl befürworten, doch die „Profisportlerin“ zu einem persönlichen Gespräch mit der Aktivenvertretung bitten, um die Erwartungen des Amateursports und ihrer Protagonisten an sie heranzutragen.  

Last but not least gaben die Mitglieder des „Beirats der Aktiven“ kurz Einblick in ihre Tätigkeit in den Spitzengremien des deutschen Sports. Christian Breuer als Vorsitzender gehört dem Präsidium des DOSB an, Marcel Gölden sitzt im Präsidialausschusses für Leistungssport, Mirko Heid im Beirat für Leistungssportentwicklung, Jana Miglitsch in der Mitgliederversammlung der nichtolympischen Verbände und Marion Rodewald im Aufsichtsrat der Sporthilfe sowie im Kuratorium der NADA. „Wir sind dort nicht nur vertreten, um Beschlüsse abzunicken, sondern wir können uns dort als Stimme der Athleten einbringen und etwas bewirken“, sagt Breuer grundsätzlich, während Fünfkämpfer Sebastian Dietz ergänzt: „Natürlich ist uns klar, dass wir als Athletenvertreter nicht alle Probleme lösen können. Entscheidend ist, dass wir versuchen, was möglich ist, ernst genommen werden und uns mit unseren Themen Gehör verschaffen.“