Wie gelingt Prävention von sexualisierter Gewalt im Sport?

Wie gelingt Prävention von sexualisierter Gewalt im Sport? Mit dieser Frage beschäftigten sich mehr als 100 Interessierte beim 4. Forum „Gegen sexualisierte Gewalt im Sport“ in Berlin.

Sport ist körperlich und braucht einen bewussten Umgang mit Macht in einem gewaltfreien Raum, so das Fazit des Fachvortrags. Foto: picture-alliance
Sport ist körperlich und braucht einen bewussten Umgang mit Macht in einem gewaltfreien Raum, so das Fazit des Fachvortrags. Foto: picture-alliance

Der Vorsitzende der Deutschen Sportjugend (dsj) Ingo Weiss und Ulrike Kraus, Vertreterin der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, begrüßten die Teilnehmer aus den Mitgliedsorganisationen der  dsj und des Deutschen Olympischen Sportbundes, aus Fachverbänden, Sportvereinen und Sportschulen aus der Region Berlin-Brandenburg in der vorigen Woche in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen. Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, erläuterte zentrale Erkenntnisse zum Stand der Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches ein und ermutigte dazu, sich weiter für den Schutz von Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Anschließend informierten sich die ehrenamtlich und hauptberuflich Tätigen aus Sport, Wissenschaft und Politik zu verschiedenen Aspekten der Prävention von sexualisierter Gewalt.

Die Teilnehmenden konnten sich neue Anregungen für die Bearbeitung des Themenfelds holen und sich mit anderen Teilnehmenden als auch mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis austauschen.

Körperlichkeit und Sexualität im Sport

Im Mittelpunkt des Vormittags stand die Frage nach gelungener Prävention. Innerhalb des Fachvortrags zum Thema „Körperlichkeit und Sexualität im Sport – Bedeutung für die Prävention“ gingen Prof. Uwe Sielert und Dr. Anja Henningsen von der Universität Kiel auch auf Schattenseiten und ungewollte Nebeneffekte von Prävention ein. Zum Beispiel könne eine zu starke Fokussierung auf Defizite, Gefahren und Risiken den Widerstand gegenüber Präventionsbemühungen verstärken. Viel eher sollte Sexualität nicht allein im Licht der Gefahr gesehen werden, denn sie spiele eine wichtige Rolle als Gesundheits- und Identitätsressource im Leben. In Zukunft werde es wichtig sein, noch intensiver die Gelingensbedingungen von Präventionsmaßnahmen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt im Sport in den Blick zu nehmen und auf die besondere Bedeutung der Vereinskulturgestaltung hinzuweisen. Die Kernaussage des Vortrags lautete: Sport ist körperlich und braucht einen bewussten Umgang mit Macht in einem gewaltfreien Raum.

Anschließend stellte Henk Göbel, Mitarbeiter bei dem Projekt „berliner jungs“, dar, dass auch Jungen – und das insbesondere im öffentlichen Raum – Opfer von sexuellen Übergriffen werden. Besonders gefährdet seien dabei die Jungen, bei denen die emotionale Brücke zum Vater gestört ist. Hilfe für Jungs e.V., der Träger des Projekts, gehe daher auf deren besonderen Bedürfnisse ein und stelle ihnen männliche Ansprechpartner zur Verfügung, um über geschehenen sexuellen Missbrauch,  aber auch allgemeine Themen der Sexualität reden zu können. Henk Göbel machte in seinem Input „Sexuelle Gewalt an Jungen – erkennen und handeln!“ weiter deutlich, dass es in der Zusammenarbeit zwischen Sozialer Arbeit und Sportvereinen noch viel Entwicklungspoten-zial gibt. Ein erster Schritt wird dabei die zukünftige Zusammenarbeit von berliner Jungs mit der Sportjugend Berlin sein.

Die Teilnehmenden wurden dann von Elena Lamby, Referentin für Prävention sexualisierter Gewalt der dsj, über die neuen Broschüren „Gegen sexualisierte Gewalt im Sport“ von dsj und DOSB, den Austausch zum Themenfeld im europäischen Raum sowie die zukünftigen Aufgaben informiert. So wird die dsj weiter die Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes in den einzelnen Bundesländern unterstützend begleiten sowie das Konzept der Regionalkonferenzen aufgreifen, um vor Ort zu sensibilisieren.

Der zweite Teil des Forums hielt vier unterschiedliche Workshops zu folgenden Themen bereit: Menschen mit Behinderung im Blick, Schutz von Kindern und Jugendlichen im Leistungssport und Sportinternaten, die Umsetzung der „Münchener Erklärung“ sowie Respekt und Wertschätzung im Erwachsenensport. Die zentralen Aussagen wurden in einer Talkrunde mit den Referentinnen und Referenten präsentiert. So ist Inklusion auch für den Schutz vor sexualisierter Gewalt ein Thema.

Es wurde hierzu ein engerer Austausch von Behindertensport-Verbänden, Landessportjugenden und Fachverbänden vorgeschlagen. Weiter wurde deutlich, dass besonders starke Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Trainer/-innen und jungen Athlet/-innen im Leistungssport ein erhöhtes Risiko für Übergriffe darstellen. Außerdem wurde im Workshop zur Umsetzung der „Münchener Erklärung“ darauf verwiesen, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen einer qualitativ guten Präventionsarbeit immer wieder Steine in den Weg legen. Vor diesem Hintergrund setzte sich der Workshop zu Respekt und Wertschätzung im Erwachsenensport damit auseinander, welche Maßnahmen mit den vorhandenen Ressourcen gelingen können.

Verständnis der Politik und Öffentlichkeit

Den ganzen Tag hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, am Informationsstand der dsj aus einem umfangreichen Angebot von Publikationen der verschiedenen Sportverbände zu wählen und sich so hilfreiche Unterstützung für ihr Engagement vor Ort zu holen.  Zudem informierte der Stand des Präventionsnetzwerks „Kein Täter werden“ über ein Therapieangebot für Pädosexuelle, die hinsichtlich ihrer Neigung über ein Problembewusstsein verfügen und von sich aus und ohne gerichtlichen Druck therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen wollen.

„Für eine gelingende Prävention von sexualisierter Gewalt brauchen wir das Verständnis der Politik und der Öffentlichkeit, dass die Implementierung von Maßnahmen in 91.000 Sportvereinen einen langen Atem braucht. Wir werden weiter intensiv daran arbeiten, dass das Thema an der Basis ankommt“, fasste Ingo Weiss, Vorsitzender der dsj, am Ende des 4. Forums die Ergebnisse zusammen und appellierte an die Teilnehmenden, sich trotz der negativen Begleitung der Aktivitäten in den Medien nicht entmutigen zu lassen.

(Quelle: dsj)


  • Sport ist körperlich und braucht einen bewussten Umgang mit Macht in einem gewaltfreien Raum, so das Fazit des Fachvortrags. Foto: picture-alliance
    Sport ist körperlich und braucht einen bewussten Umgang mit Macht in einem gewaltfreien Raum, so das Fazit des Fachvortrags. Foto: picture-alliance