Zunehmende Gefährdungen für Entwicklungshelfer. Auch NOK stellt Sicherheitsfragen

"Es ist gefährlicher, für eine UN-Organisation humanitäre Hilfe zu leisten, denn als Blauhelm in einer Kriegszone zu dienen", schrieb kürzlich die Los Angeles Times. Die von ihr angeführten Daten stammen aus dem Jahr 1998, dürften aber auch heute Gültigkeit besitzen. Die Sicherheitsrisiken steigen beständig an: Während von 1992 bis 1998 153 UN-Mitarbeiter im Dienst ihr Leben verloren und 43 entführt wurden, erhöhte sich diese Zahl bis ins Jahr 2000 auf 198 Tote und 240 Entführte.

 

 

 

Für die drastische Zunahme von Übergriffen sieht Corinna Kreidler von der Deutschen Welthungerhilfe in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Entwicklung und Zusammenarbeit mehrere Gründe:

 

 

 

"Zum einen gibt es seit dem Ende des Kalten Krieges weniger zwischenstaatliche Kriege als innerstaatliche Auseinandersetzungen und deren Akteure halten sich nicht an internationale Vereinbarungen zum Schutz von Zivilisten wie die Genfer Konvention" erklärt Kreidler und ergänzt:

 

 

 

"Nicht-staatliche Kriegsparteien – Warlords, lokale Rebellenführer, Banditen – akzeptieren oft nur das Recht des Stärkeren, Hilfe für die bedürftige Bevölkerung wird von solchen Kriegsparteien oft als Begünstigung der Gegenseite interpretiert". Ein weiterer Grund für das Anschwellen der Gewalt ist nach Aussage der DWH-Mitarbeiterin die Tatsache, dass Übergriffe gegen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft und der Medien sichert.

 

 

 

Die Deutsche Welthungerhilfe sah sich vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse gezwungen, ihr Sicherheitsmanagement erheblich zu verbessern. Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Anan, hat, so Kreidler, darauf hingewiesen, "dass Aufwendungen für die Sicherheit der Mitarbeiter weder ein Luxus noch ein persönlicher Vorteil seien, sondern der Preis, den die Weltgemeinschaft heute für die Realisierung des UN-Mandats bezahlen müsse".

 

 

 

Nicht zuletzt haben Zwischenfälle nicht nur für die Betroffenen Folgen. Jede Organisation, die in einem Krisengebiet arbeitet, muss im Zweifelsfall auch vor Gericht beweisen können, dass sie dem Schutz ihrer Mitarbeiter die größte Aufmerksamkeit geschenkt hat, damit die Versicherungen für entstandene Schäden eintreten.

 

 

 

"Das NOK konsultiert im Zweifelsfall das Auswärtige Amt, das entsprechende Sicherheitshinweise und Ausreiseempfehlungen abgibt", erläutert Georg Kemper, Referatsleiter für Internationale Zusammenarbeit des NOK das Verfahren im Nationalen Olympischen Komitee. "Bei Sicherheitsbedenken sagen wir die entsprechenden Maßnahmen ab", erklärt Kemper. "Tatsächlich mussten in den vergangenen Jahren jedoch nur sehr wenige Projekte gecancelt werden", erinnert er sich. Doch auch in Ländern, bei denen das Auswärtige Amt als wichtigster Geldgeber für die NOK-Projekte, eine Einreise nicht grundsätzlich abrät, bleiben nicht selten Sicherheitsbedenken.

 

 

 

Schließlich ist die Liste der Länder, in denen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen verhaftet, entführt oder getötet wurden, lang und reicht von Sierra Leone über Tadschikistan bis nach Ost-Timor. Gerade das vom Bürgerkrieg heimgesuchte Land ist auch in diesen Tagen wieder Ziel des in Deutschland durch seine TV-Karriere bekannten Sportexperten und Fußballtrainers Holger Obermann.

 

 

 

Das Sicherheitskonzept der Welthungerhilfe, die auch Entsendungen in Gebiete vorsieht für die das Auswärtige Amt keine Einreiseempfehlung abgeben würde, sieht für solche Exkursionen umfangreiche "security audits" vor, bei denen eingeschätzt wird, ob der Nutzen des Einsatzes für die Bevölkerung das Risiko für die Mitarbeiter rechtfertigt.

 

 

 

"Sicherheitspläne definieren Verantwortlichkeiten vor Ort, beschreiben konkrete Reaktionen auf verschiedene Bedrohungsszenarien und legen Abläufe für akute Bedrohungen fest. Sicherheitstrainings sollen den lokalen und regionalen Konfliktkontext analysieren und die Wahrnehmung für Sicherheitsrisiken schärfen", erklärt Corinna Kreidler.

 

 

 

Der Risikoanalyse folgt die Festlegung der Strategie, die auf Abschreckung, Schutz oder verstärkter Schaffung von Akzeptanz und Anerkennung in der Zivilbevölkerung beruhen kann.

 

 

 

"Die aktuelle Entwicklung könnte auch für das NOK Anlass sein, eigene Sicherheitsüberlegungen verstärkt in die Projektplanungen einzubeziehen und dabei möglicherweise künftig auch Erfahrungen anderer Organisationen zu berücksichtigen, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern praktische Hinweise und Handlungsoptionen für den überraschenden Krisenfall mit auf den Weg geben", erwägt NOK-Referatsleiter Georg Kemper die aktuell zumeist mit den Olympischen Spielen in Salt Lake City verbundenen Sicherheitsfragen auch auf das Gebiet der Entwicklungshilfe auszudehnen.

 

 

 

 

 

 

 



Weitere Links:
Die Deutsche Stiftung für Internationale Zusammenarbeit im Int