Der Boxer Wolfgang Behrendt ist 85 geworden

Am 14. Juni ist der allererste Sommer-Olympiasieger der ehemaligen DDR Wolfgang Behrendt 85 Jahre alt geworden.

Am 30.11.1956 setzt sich DDR-Boxer Wolfgang Behrendt (li.) bei den Olympischen Spielen in Melbourne im Semifinale der Bantamgewichtler gegen den Iren Frederick Gilroy durch. Am Ende gewann er die Goldmedaille und Gilroy Bronze. Foto: picture-alliance
Am 30.11.1956 setzt sich DDR-Boxer Wolfgang Behrendt (li.) bei den Olympischen Spielen in Melbourne im Semifinale der Bantamgewichtler gegen den Iren Frederick Gilroy durch. Am Ende gewann er die Goldmedaille und Gilroy Bronze. Foto: picture-alliance

Und die Ewigkeit von 65 Jahren ist es nun schon her, dass der (Ost-)Berliner Amateurboxer am 1. Dezember 1956 in Melbourne für die damals noch Gemeinsame Deutsche Mannschaft die Olympische Goldmedaille im Bantamgewicht erkämpfte. Dank seiner besseren Technik mit 2:1 Richterstimmen gegen den Koreaner Soon Chon Song.

Es war ein total überraschender Olympiasieg durch den 20jährigen, damals noch Maschinenschlosser, den man eher der 100-Meter-Mitfavoritin Christa Stubnick und dem 80-Meter-Hürden-As Gisela Köhler zugetraut hatte... in einer Zeit, als es noch keine Fernseh - Direktübertragungen gab und das gute alte „Dampfradio“ die Chronistenpflicht erfüllte. Doch die Jubelreportage von Heinz-Florian Oertel (93), der populären „Sportstimme“ von Radio DDR, war in Ostdeutschland nicht zu hören: sie ging verschollen, irgendwo auf dem 15 972 km langen Weg durch den Äther nach Deutschland.

Der Triumph verbreitete sich trotzdem in Windeseile und machte am Morgen danach auch den Autor stolz, der als Jung-Volontär in Dresden die Funkbilder aus Melbourne in den Schaukasten der Zeitung „Die Union“ heften durfte.

Behrendt erhielt nach seiner Rückkehr die zeitgemäßen Ehrungen (u.a. Verdienter Meister des Sports ) und erinnert sich stolz: „Ich bin der einzige Goldmedaillengewinner, dem jemals von zwei deutschen Präsidenten gratuliert wurde“. Es waren Wilhelm Pieck (DDR) und Theodor Heuss (BR Deutschland).

Letzterer verlieh dem Ostberliner wie allen anderen Olympiasiegern der Gemeinsamen Deutschen Mannschaft das Silberne Lorbeerblatt. Doch als Behrendt zur Zeremonie nach Bonn fliegen wollte, beorderten ihn, das Ticket in der Hand, auf dem Flughafen Tempelhof „zwei Männer im Ledermantel“ zurück nach Ostberlin... Bestrebungen, ihm zu seinem 75. Geburtstag die Auszeichnung nachzureichen, scheiterten an deutscher Verbandsbürokratie.

Sein olympisches Gold als Profiboxer umzumünzen, darauf verzichtete der damals 20jährige trotz guter Kontakte zum Westberliner Harry Kurschat, der in Melbourne sein Teamgefährte gewesen war und Silber im Leichtgewicht gewonnen hatte. Er blieb Amateur, wurde dreimal DDR-Meister, einmal Dritter der EM, bestritt 21 Länderkämpfe; scheiterte aber wegen Verletzungen noch einmal Olympiateilnehmer zu werden. Fast ohne Schatten jedoch glänzt sein Kampfrekord: 201 Kämpfe - 188 Siege - 5 Unentschieden – nur 8 Niederlagen. Niemals ging er k.o. !

Urkunden erhielt der Jubilar auch später - in seinem  neuen Beruf als diplomierter Sportfotograf beim „Neuen Deutschland“, der Staatszeitung der DDR. 25 Jahre lang verdiente sich Behrendt das Privileg Sporthöhepunkte in aller Welt zu fotografieren, war u.a. bei acht Olympischen Spielen, zahlreichen Welt-und Europameisterschaften sowie 25 Mal bei der Friedensfahrt, dem einstigen Radsport - Großereignis des Ostens. Mehrmals gelang dem auch mit Fotoapparat und (Boxer-) Auge Reaktionsschnellen das „Sportfoto des Jahres“. In Damaskus und Peking gewann er bei der „Weltausstellung der Sportfotografie“ zweimal die Goldmedaille.

Daß Ruhm und Können keine Gnade kennen, musste auch Behrendt erfahren. Gleich nach der Wende verlor er seine Festanstellung und schlug sich danach als sogenannter „Freier“ durch. Seine Foto-Homestories mit der Kanu-Rekordolympiasiegerin Birgit Schmitt-Fischer und dem Dresdener Welttenor Peter Schreier erinnern daran.

Apropos Erinnerungen ! Wolfgang Behrendt zählte in der ehemaligen DDR zu den beliebtesten Sportlern, ähnlich Schur, Cierpinski oder Kati Witt. Es war sein Naturell, das ihm neben dem frühen Olympia-Ruhm so beliebt machte: Bescheidenheit, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Aufrichtigkeit sowie nie versiegender Berliner Mutterwitz. Dazu seine Musikalität !

Letztere Eigenschaften bzw. Talente hielten ihn nach der Wende „über Wasser“, bei öffentlichen Auftritten mit seinem Freund Heinz Florian Oertel. Der fassettenreiche, beliebteste Sportreporter der DDR moderierte, der Olympionike gab den Unterhaltungsrahmen - als Musik-Clown und Trompeter. Für dieses Hobby der etwas lauten Art trainierte Behrendt täglich in der mit Matratzen schalldicht gemachten Sauna seines Gartenhauses am Kleinen Köriser See. Es gab lohnende Auftritte im Fernsehen, aber auch Benefizveranstaltungen in Seniorenheimen.

Fit hält sich der Jubilar noch immer. Mit Gartenarbeit, flotten Spaziergängen und den obligaten täglichen Liegestützen. „Früher waren es mindestens 50; heute reichen 20. Das hat mir der Arzt geraten.“

Um die Geschichte des nunmehr 85jährigen ersten Sommer-Olympia-Goldmedaillengewinners der DDR und späteren NOK-Mitgliedes in Ost und West, rund zu machen: Wolfgang Behrendt war 46 Jahre mit seiner großen Liebe Monika verheiratet. Unheilbar krank, vom Ehemann gepflegt, verstarb sie vor fünf Jahren.

Da auch Sohn Mario - ebenfalls Boxer, DDR-Meister und Olympiateilnehmer - erkrankt ist, hat es bei Wolfgang Behrendt zum „85.“ nur eine kleine Geburtstagsrunde gegeben, mit der Familie seines zweiten Sohnes Heiko und einem Berg Post von vielen alten Freunden.

Zu diesen zählte, bis zu seinem Tod, auch Professor h.c. Walter Tröger. Der Ehrenpräsident des ehemaligen NOK für Deutschland charakterisierte Behrendt einmal, Zitat: „Wolfgang war ein Olympiasieger wie ich mir ihn vorstelle: ein Vorbild in jeder Hinsicht. Besonders aber als Mensch.“

(Autor: Klaus Angermann)


  • Am 30.11.1956 setzt sich DDR-Boxer Wolfgang Behrendt (li.) bei den Olympischen Spielen in Melbourne im Semifinale der Bantamgewichtler gegen den Iren Frederick Gilroy durch. Am Ende gewann er die Goldmedaille und Gilroy Bronze. Foto: picture-alliance
    Am 30.11.1956 setzt sich DDR-Boxer Wolfgang Behrendt (li.) bei den Olympischen Spielen in Melbourne im Semifinale der Bantamgewichtler gegen den Iren Frederick Gilroy durch. Am Ende gewann er die Goldmedaille und Gilroy Bronze. Foto: picture-alliance